Freitag, 13. April 2012

"Hamburger Kinotage 1969" im Star-Club (der heute vor 50 Jahren eröffnet wurde)


Kürzlich hatte ich die Ehre und Gelegenheit, Werner Graßmann zu besuchen. Er ist der geniale Erfinder der Programmkinos (Abaton Kino, Hamburg) und zu den guten 68er Zeiten war er mein Dozent für "Kameratechnik". Bei ihm habe ich in einem halben Jahr alles gelernt, was man braucht, um Filme zu machen.

Das Programmheft (Grafik: Franz Winzentsen)
Irgendwie kamen wir auch auf die "Hamburger Kinotage" zu sprechen, die heute "Filmfest Hamburg" heißen und 1968 als "Hamburger Filmschau" starteten. Mir fiel ein, dass ich damals auch irgendwie dabei war, spätestens 1969. Auf jeden Fall erinnere ich mich, wie ich am Star-Club, der einer der Spielorte war, den Schaukasten mit Fotos aus dem Programm bestückte.

An dem Ort, mitten auf der Großen Freiheit, sollten natürlich die Filme mit erotischem Inhalt besonders rausgestellt werden. Also hängte ich Bilder auf, die blanke Busen zeigten. Ich war von Puffs und Animierclubs umgeben, da erschien mir das recht harmlos.

Aber Irrtum, es kamen gleich ein paar aufgeregte Clubleute angeschossen: "Bist du wahnsinnig? Titten? Das gibt Ärger! Das gibt 'ne Lampe von den Bullen! Häng das bloß schnell wieder ab!!"

Ich musste tatsächlich zur Davidswache und mir eine "Unbedenklichkeitsbescheinigung" besorgen. Bekam ich auch. Film ist Kunst und die Kunst darf nackte Busen zeigen, war mein Argument. Passte.

Die Vorführorte (die roten Markierungen bedeuten übrigens nichts, die habe ich verbrochen, der Filzschreiber war doch noch eine neue Erfindung, da musste man einfach alles bekritzeln).

Ja, 1968/69 war plötzlich alles möglich. Die Zeiten hatten sich über Nacht geändert und der legendäre Star-Club wurde bald darauf, am 31. Dezember 1969 geschlossen. Was garantiert nicht an den bösen Filmbildern lag!

1969 habe ich jedenfalls auch im Programmheft pralle Möpse präsentieren können. Damals galt das nicht als sexistisch, da waren Frauen stolz drauf, sich das Recht auf freie Busen erobert zu haben. Ein oder zwei Sommer lang liefen sie scharenweise "oben ohne" durch die Gegend. Wahrscheinlich war es etwas später, Anfang der Siebziger, aber ich sehe mich noch heute mit roten Ohren durch den Stadtpark gehen, wo wirklich alle Hemmungen und Oberteile abgelegt wurden.

Zurück zum Programmheft von 1969. Die Obrigkeit war noch sehr skeptisch, die "Jungfilmer" der Hamburger Film-COOP (Kooperation) hielten ihr Festival ausgerechnet auf Sankt Pauli ab. Die ganze Stimmung kann man in meiner Zeichnung sehen, die aus mir heute nicht mehr bekannten Gründen im Programmheft abgedruckt wurde. Jaja, ich finde auch, dass ich jetzt technisch besser bin.

Grafik: Peter Krisp - piiit

"Come on and coop auf der Filmschau 1969".
Es ging den Filmemachern natürlich um neue Sehgewohnheiten, neue filmische Ausdrucksmöglichkeiten, neue politische, neue ästhetische und was weiß ich für revolutionäre und sonstige Veränderungen im Film und Kino, es ging aber etlichen jungen Leuten beim Besuch der Veranstaltungen auch ganz schlicht um "soziale Kontakte" in der neuen Szene - come on and coop - und in Hamburg sind die Nächte lang. Ach ja….

Warum erzähle ich das alles? Weil das scharfe Auge auf der Zeichnung von 1969 gleich dreimal "piiit" lesen kann. Ein weiterer Beleg für den "einzigen echten und wahren piiit".
Tata-tata!! 


Interessantes Interview mit Helmut Herbst zum Thema: